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Lessons Learned

Die nachfolgend aufgeführten Lessons Learned betreffen das Gesamtprojekt Digitales Dorf und leiten sich aus den Erkenntnissen und Erfahrungen der Projektteams und ihrer Projektpartner ab. Die Empfehlungen beinhalten verschiedenste Aspekte und zielen auf unterschiedliche Maßnahmen ab. Lessons Learned sollen als Hilfestellung dienen für zukünftige Projekte im Bereich Digitalisierung im ländlichen Raum.

Die Ausgangslage in vielen ländlichen Kommunen ist zwar ähnlich, dennoch gilt es stets die Heterogenität des ländlichen Raums zu berücksichtigen. So ist der jeweilige optimale Weg einer Kommune hin zu bedarfsgerechten digitalen Lösungen spezifisch zu gestalten. Die Rahmenbedingungen in den Kommunen unterscheiden sich viel zu stark, um ein flächendeckendes Erfolgsrezept für die Umsetzung von Digitalisierungsmaßnahmen zu erhalten. Eine „Blaupause“ für die Digitalisierung von Kommunen existiert nicht. Den Ausgangspunkt jeder erfolgreichen kommunalen Digitalisierungsstrategie bildet daher eine belastbare initiale IST-Analyse.

Diese fundierte Bewertung der Ausgangslage in einer Kommune beinhaltet die Erfassung des derzeitigen Digitalisierungsstands, also beispielsweise den Stand der Digitalisierung innerhalb der kommunalen Verwaltung (Umsetzung Onlinezugangsgesetz) oder in den Schulen (z.B. technische Ausstattung, Anbindung an Glasfaser, „Digitales Klassenzimmer“).

Innovation durch Interdisziplinarität

Ein nicht unwesentlicher Erfolgsfaktor stellt ein fachlich breit aufgestelltes Projektteam dar, in dem Experten aus den unterschiedlichsten Fachgebieten zusammenarbeiten. Der interdisziplinäre Austausch bereitet den Weg für mitunter ungewöhnliche Lösungen und zielführende Ideen innerhalb des Projekts. Die Zusammenarbeit unterschiedlicher Generationen ist ein Vorteil, da sie unterschiedliche Sichtweisen in das Projekt einbringt. Lebenserfahrung ist ebenso wichtig wie die fachliche Expertise im Bereich Digitalisierung.

Permanentes Erwartungsmanagement beugt Konflikten vor

Zu Beginn des Gesamtprojekts sollten Erwartungen und Zuständigkeiten abgesteckt werden, um unterschiedliche Projektziel-Vorstellungen zu vermeiden. Während des Projektverlaufs ist dies immer wieder notwendig, wenn sich in Teilprojekten Verantwortlichkeiten ändern oder zusätzliche Personen involviert sind. Dies mag trivial klingen, ist bei einer Vielzahl an Teilprojekten und dadurch auch handelnder Personen, für den Projekterfolg essentiell und vermeidet Unstimmigkeiten.

Ein kontinuierlicher Austausch mit den Bürgermeistern und Verwaltungsmitarbeitern der Kommunen ist unabdingbar, um einen Erfolg des Projekts zu gewährleisten. Im Digitalen Dorf Spiegelau-Frauenau fanden daher in regelmäßigen Abständen Statustreffen mit den Bürgermeistern der Projektkommunen und weiteren Vertretern der Kommune (zweimal pro Monat bzw. ab 2020 monatlich) statt, die dazu dienten, die leitende Projektgruppe stets auf dem Laufenden zu halten und die aktuellen Entwicklungen zu diskutieren. Die stetige und intensive Kooperation und Kommunikation im Konsortium erwiesen sich als absolut effektiv. Die Zuständigkeitsbereiche bildeten sich im Zuge der Zusammenarbeit heraus bzw. wurden gemeinsam definiert. Unkomplizierte Entscheidungsfindungen und unbürokratische Änderungen im Projektplan erlaubten dem Projektteam eine ergebnisoffene und bedarfsorientierte Umsetzung der Maßnahmen.

Insbesondere aufgrund der coronabedingten Beschränkungen im öffentlichen Leben wurden Maßnahmen aufgegriffen und unbürokratisch umgesetzt. Da der Besuch von Gottesdiensten zeitweise nicht möglich war, wurde die Online-Übertragung in Zusammenarbeit mit den geistlichen Vertretern der Pfarrgemeinden für die Gläubigen ermöglicht. Im Bereich Coworking war der Bedarf an Arbeitsplätzen höher, als zunächst erwartet worden ist. Auch hier reagierten die Akteure und erarbeiteten kurzfristig ein Konzept, um weitere Plätze zu schaffen bzw. die Testphase entsprechend zu verlängern.

Kontinuierliche und vertrauensvolle Projektkommunikation als erfolgskritischer Faktor

Ebenso für den Projekterfolg entscheidend erwiesen hat sich ein gutes zwischenmenschliches Verhältnis. Damit die fachliche Expertise der externen Begleiter akzeptiert wird, muss zwischen den Projektpartnern Vertrauen aufgebaut werden. Die räumliche Nähe des Technologie Campus Grafenau, der Basis des Projektteams und der Pilotkommunen Spiegelau und Frauenau, erwies sich während der Projektarbeit als sehr wertvoll, weil die Wege zwischen den Beteiligten kurz waren und offene Punkte bei Bedarf schnell und unbürokratisch geklärt werden konnten. Darüber hinaus bewährte sich das gefestigte gute Verhältnis während der Coronapandemie, als keine bzw. kaum Vor-Ort-Termine stattfinden konnten: Zwar hatte sich der Projektfortschritt teilweise in den Arbeitspaketen verlangsamt und es waren auch die Möglichkeiten für Bürgerdialog und Öffentlichkeitsarbeit eingeschränkt, doch blieben die Ergebnisse und der Projekterfolg davon unbeeinflusst.

Bei einem herausfordernden Thema wie der Digitalisierung stoßen die Gemeinden fachlich, finanziell und personell an ihre Grenzen. Diese begrenzten Ressourcen können zuweilen zu Zeitverzögerungen im Projektverlauf beitragen. Nur die wenigsten Kommunen verfügen über einen entsprechenden „digitalen Kümmerer“ in ihrem Personalstab. Aus diesem Grund bietet es sich künftig an, für derartige Projekte eine zusätzliche Personalstelle zu schaffen und direkt in den Kommunen einen Kümmerer vor Ort einzusetzen. In dessen Aufgabenbereich fallen unter anderem: Öffentlichkeitsarbeit, inhaltliche Befüllung von etwaigen Gemeindeportalen, Organisation von Projekttreffen, Vermittlung der Projektinhalte in die Verwaltungen, Koordination der Projektarbeit in den Kommunen der Modellregion, Ansprechpartner für lokale Projektpartner.

Brücke zwischen Projektteam und Akteuren vor Ort

Durch den Einsatz eines Kümmerers vor Ort werden einerseits Tür und Tor bei Einheimischen und sonstigen Institutionen geöffnet, andererseits erfahren die externen wissenschaftlichen Begleiter Herausforderungen und spezifische Gegebenheiten vor Ort von Anbeginn aus erster Hand. Durch die Finanzierung dieser Stelle über das Projektbudget können kleinere, vor Ort anfallende Aufgaben, an diesen delegiert werden, was erheblich Zeit spart und Prozesse beschleunigt.

In vielen Kommunen fehlt eine „digitale Basis“, etwa was den flächendeckenden Breitbandausbau betrifft. Auch eine zeitgemäße Ausstattung wie Laptops mit Webcams oder Videokonferenzsysteme sind in Rathäusern ländlicher Kommunen keine Selbstverständlichkeit. Um erfolgreich weitere Digitalisierungsmaßnahmen einzuleiten, sollte daher der Aufbau grundlegender digitaler Infrastruktur bereits zu Beginn des Prozesses angestrebt werden.

Digitalisierung beginnt im Kopf

Digitalisierung verändert nicht nur die Art, wie wir unsere Aufgaben erledigen, sondern auch das Zusammenleben in der Gesellschaft. Viele Menschen stehen digitalen Innovationen verhalten gegenüber. Häufig ist Pionierarbeit zu leisten, um die Zielgruppen in der Kommune von der Digitalisierung zu überzeugen und sie auf ihrem Weg in die digitale Transformation zu unterstützen. So muss der Kompetenzförderung der Mitarbeiter in der kommunalen Verwaltung erhöhte Bedeutung zukommen, denn erfolgreiche kommunale Digitalisierung erfordert auch ein Umdenken im Arbeitsalltag. Die Mitarbeiter der kommunalen Verwaltung müssen bereit sein, verwaltungstechnische Prioritäten neu zu setzen und die digital orientierten Arbeitsabläufe als ebenso wichtig zu erachten wie die analogen Prozesse.

Digital-Analog-Balance essentiell für Akzeptanz digitaler Maßnahmen

Folglich liegt die Aufgabe in einem derartigen Projekt nicht nur bei der bloßen Umsetzung, sondern auch in der Sensibilisierung der beteiligten Interessengruppen. Hier gilt es durch einen intensiven und regelmäßigen Dialog, in dem auf Bedürfnisse und Wünsche, aber auch auf Ängste und Vorbehalte eingegangen wird, etwaige Berührungsängste bei allen Projektbeteiligten zu lindern. Auch gilt es zu akzeptieren, wenn digitale Lösungen in bestimmten Handlungsfeldern nicht angenommen werden. Der Einsatz erzwungener Lösungen erweist sich selten als erfolgversprechend. Stattdessen sollte ein Verständnis dafür geschaffen werden, dass Digitalisierung nicht in Konkurrenz zu den etablierten Strukturen und Angeboten in der Region stehen muss. Lösungen wie z. B. eine digitale Unterstützung der bestehenden Nachbarschaftshilfe oder digitale Services zur Unterstützung der Mobilität sollen etablierte analoge Angebote nicht ersetzen, sondern vielmehr ergänzen. Besonders wichtig ist, Digitalisierung nicht um jeden Preis durchsetzen zu wollen, sondern nur da, wo sie sinnvoll erscheint und wo sie auch von allen Projektbeteiligten mitgetragen wird. Bei all den Möglichkeiten, die die Digitalisierung bietet, gilt es stets eine Balance zwischen digital und analog herzustellen und aufrechtzuerhalten. (Die Buchung des DorfBUS Spiegelau kann z.B. via App oder nach wie vor telefonisch durchgeführt werden.)

Digitalisierung darf nicht auf Technologie reduziert werden. Damit Digitalisierung in einer Kommune gelingen kann, muss der Mensch in den Mittelpunkt gestellt werden. Die Akzeptanz und Beteiligung sämtlicher Interessengruppen sind wesentlich, um kurz- und langfristige Erfolge im Projekt zu erzielen. Bedeutsam ist es deshalb, engagierte Schlüsselfiguren zu identifizieren, die den Digitalisierungsprozess in einer Kommune aus eigener Überzeugung maßgeblich vorantreiben. Eine dieser Schlüsselpersonen könnte der Bürgermeister sein, der die Digitalisierung in seiner Kommune aus intrinsischer Motivation zur Chefsache deklariert und der es schafft, sowohl die Mitarbeiter der Verwaltung als auch die Bürger für den Weg in die Digitalisierung zu begeistern und diese von der Relevanz des Transformationsprozesses zu überzeugen.

Will man sich Gehör in Politik und Presse verschaffen, hat sich das Handeln nach der Redewendung „Tue Gutes und rede darüber“ als hilfreich erwiesen. Durch gezielte Lobby-Arbeit, Publikationen und intensive Kontaktpflege richtet sich der Blick der Öffentlichkeit vermehrt auf das Projekt. Dies kombiniert mit einer Berichterstattung in der Presse und den Gemeindezeitungen in möglichst regelmäßigen Abständen informiert die örtliche Bevölkerung und Gemeindevertreter über den Status quo des Projekts. Die gezielt durchgeführte Pressearbeit auf regionaler, überregionaler, nationaler und internationaler Ebene aber auch auf den eigenen Social-Media-Kanälen erhöht die Aufmerksamkeit auf das Projekt.

Vertrauen durch Präsenz schaffen

Die Akzeptanz des Projekts in der Bevölkerung wird auch durch permanenten Präsenz in der Öffentlichkeit erzielt. Arbeitskreise mit Bürgern, Gemeindevertretern und Projektpartnern, aber auch regelmäßige Videokonferenzen sowie Arbeitstreffen vor Ort mit Gemeindevertretern und Projektpartnern zeigen gute Erfolge.

Auch die regelmäßige Präsenz von Projektmitarbeitern vor Ort in den Pilotgemeinden ist essentiell. Sich in der Öffentlichkeit zeigen, vor Ort sein und sich unter das Volk mischen, erzeugt Sympathien bei den Bürgern und erhöht die Akzeptanz des Projekts. Die Mitarbeiter erhalten darüber hinaus von den Beteiligten und Bürgern wichtige Informationen und Feedback „aus erster Hand“.

Ein Erfolgsfaktor für die Akzeptanz von neuer Software und Apps, die das Alltagsleben unterstützen und erleichtern sollen, ist die Anpassung an die Herausforderungen der Pilotregion und an die Bedürfnisse der Stakeholdergruppen. Wie sich zeigte, erhöht ein niederschwelliger Zugang die Akzeptanz bei den Zielgruppen deutlich. Niederschwellig bedeutet, die Bedienoberfläche so nutzerfreundlich wie möglich und auch für Einsteiger leicht bedienbar zu gestalten und die Palette an Funktionen überschaubar zu halten.

Orientierung am tatsächlichen Bedarf der Bürger

Neben der Bereitstellung einer nutzerfreundlichen Bedienoberfläche bedeutet Niederschwelligkeit aber auch, die vielleicht auf den ersten Blick trivial erscheinenden, aber doch bedeutenden Probleme im ländlichen Raum ernst zu nehmen und dafür digitale Lösungen zu entwickeln. Denn bei der Digitalisierung in Kommunen geht es in erster Linie nicht darum, hochkarätige künstliche Intelligenzen zu entwickeln, sondern kleine digitale Alltagshelfer, die das Leben der Bürger erleichtern. Die Dahoam 4.0® Anwendungen, wie beispielsweise Schul App, Rathaus App und Vereins App, ermöglichen unkomplizierte Kommunikation sowie transparenten Informationsaustausch in den Modellkommunen.

Bewährte Lösungen in die Fläche bringen

Wichtig ist, dass der Faktor Zielgruppenorientierung nicht die Prämisse der Übertragbarkeit von Lösungen auf andere Kommunen ausschließt. Denn erst die Übertragung und Ausweitung bewährter Lösungen auf andere ländliche Regionen bringt den erwünschten Mehrwert. Aus den in den Modellkommunen Spiegelau und Frauenau entwickelten Lösungen ist besonders die zur Unterstützung der Vereinsarbeit entwickelte Vereins App hervorzuheben, die mit geringem Aufwand auf weitere Vereine übertragen werden.

In der Planungs- und Konzeptionierungsphase von Projekten ist es schwer möglich, alle etwaigen Risiken und Unwägbarkeiten zu überblicken. So hat es auch im Digitalen Dorf Spiegelau – Frauenau einige Herausforderungen und Stolpersteine gegeben.

Hürden im Projekt „Digitales Dorf“

Eine der größten Herausforderungen war es etwaige Ängste bei den Interessengruppen auszuräumen. Zahlreiche Bürgerinnen und Bürger standen der Digitalisierung verhalten gegenüber. Hier war häufig eine sogenannte „digitale Pionierarbeit“, also Überzeugungsarbeit zu leisten, um den Großteil der Bürgerschaft für das Projekt zu gewinnen.

Auch gab es in den Pilotgemeinden meist keine entsprechenden Mitarbeiter, die hauptsächlich für digitale Aufgaben abgeordnet gewesen waren und somit als direkte Ansprechpartner für das Projektteam hätten fungieren können. Aufgrund dieser fehlenden Personalie haben sich Zeitverzögerungen im Projektverlauf ergeben, weil Kommunikation, Koordination und Entscheidungen oft über mehrere Verantwortliche innerhalb der Kommune gelaufen sind.

Zudem mangelte es in den Kommunen vielfach an einer zeitgemäßen „digitalen Grundausstattung“, was beispielsweise den flächendeckenden Breitbandausbau betraf oder auch die Ausstattung mit Laptops mit Webcams oder mit Systemen zur Durchführung von Videokonferenzen in den Rathäusern oder Schulen. Dies erschwerte zuweilen die Umsetzung der geplanten Digitalisierungsmaßnahmen.

Fehler als Chancen begreifen – Hürden als Sprungbrett nutzen

Fehler und Hürden lassen sich in der Projektarbeit also nicht vermeiden, trotz beträchtlichem Engagement und größter Akribie. Für den finalen Erfolg erscheinen die Fehler auf den ersten Blick hinderlich und wenig förderlich. Sollten im Laufe des Projekts die zu Projektbeginn definierten Teilziele nicht erreicht werden können, ist es essentiell, das Projekt oder den jeweiligen Lösungsweg nicht als gescheitert zu betrachten. Die Offenlegung der Fehler, die Suche nach ihren Ursachen und deren kooperative Aufarbeitung können der Projektarbeit schließlich sogar zugutekommen. Die Akzeptanz der Fehler und die Fähigkeit aus etwas Negativem etwas Positives zu ziehen, kann ein Vorteil sein, weil mitunter neue Wege beschritten werden, neue Lösungen entstehen und vielleicht sogar ein Umdenken in eine grundsätzlich andere Richtung möglich wird. Die Etablierung einer offenen und positiven Fehlerkultur, in der einmal getroffene Entscheidungen zur Durchführung des Gesamtprojekts oder eines bestimmten Arbeitspakets auch in Frage gestellt werden dürfen, trägt wesentlich zum Projekterfolg bei und ermöglicht es auch Lehren zu ziehen, die wiederum für künftige Projekte von Nutzen sein können.

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